Der Campus der Mount Royal University ist in eine weiße Schneedecke gehüllt. Der sonst so lebhafte Ort ist bereits menschenleer. Nur wenige Fußspuren führen in Richtung Hauptgebäude. Das Semester ist fast zu Ende. Für die Austauschstudent:innen bedeutet das: Es wird Zeit, sich zu verabschieden. Viel zu schnell sind die letzten Monate vergangen. Eigentlich fühlt es sich so an, als wäre ich erst gestern hier angekommen.

Winterlandschaft, Universitätsgelände
Am Ende des Wintersemesters haben viele der Studierenden den Campus der Mount Royal University bereits verlassen.
Marco Koppensteiner

Ein Gefühl von Aufregung und Nervosität erfüllte mich, als ich im September am Flughafen von Kanada landete. Völlig chaotisch startete mein Auslandsaufenthalt, denn mein Koffer erreichte Calgary nicht wie geplant. Mein erster Gedanke damals war: "Das fängt ja schon gut an." Leicht verzweifelt und völlig ausgelaugt vom Jetlag erreichte ich den Campus der Mount Royal University.

Doch für Müdigkeit und Jetlag-Feeling war nicht lange Zeit. Schon bald fanden die ersten Events statt. Als Austauschstudent:in hat man das Privileg, Menschen aus der ganzen Welt kennenzulernen. Neben den Einheimischen, die man vor allem durch die Unikurse kennenlernt, bildete sich schnell eine Bubble aus internationalen Studierenden. Das war vor allem deshalb praktisch, weil jede:r die Stadt, in der wir lebten, und die Kultur des Landes kennen lernen wollte. Zusammen machten wir Ausflüge und erkundeten Kanada.

Startschwierigkeiten und neue Freundschaften

Das lenkte mich von den Sorgen um mein Gepäck schnell ab. Nach zwei Wochen und zahlreichen E-Mails und Anrufen bei der Fluggesellschaft hatte ich mein Hab und Gut dann endlich wieder bei mir. Auch die Kommunikation mit der Versicherung nahm einiges an Zeit in Anspruch. Um Geld für Ersatzkäufe zurückzubekommen, musste ich ziemlich hartnäckig sein. Bis Ende November begleitete mich dieses Dilemma.

Trotz der Startschwierigkeiten bereue ich allerdings keine Sekunde, hierhergekommen zu sein. Die Zeit in Kanada hat mich geprägt, und ich habe vieles gelernt. Sei es über die kanadische Kultur, wie man am besten mit herausfordernden Situationen umgeht oder über mich selbst. Ich möchte keinen Moment hier missen. Es ist schwer zu glauben, dass die Zeit in Calgary ihrem Ende entgegengeht. Jeder Tag hat sich wie ein kleines Abenteuer angefühlt. Freundschaften entstanden in Windeseile, doch genauso schnell rückte der Moment des Abschieds näher. Man durchlebt verschiedenste Phasen während eines Auslandssemesters, und es ist ein ständiges Auf und Ab. Wenn einem der Algorithmus dann Instagram-Reels wie das folgende in die Timeline spült, weiß man zumindest, dass man nicht allein ist damit.

Die zehn Phasen eines Auslandssemesters
Wenn man ein Semester in einem anderem Land verbringt, ist eine Achterbahn der Gefühle nichts ungewöhnliches.

Gemischte Gefühle machen sich breit, wenn ich an das Ende meiner Reise denke. Einerseits verspüre ich Traurigkeit darüber, dass viele der Menschen, die ich kennenlernen durfte, für eine lange Zeit oder vielleicht für immer aus meinem täglichen Leben verschwinden werden. Doch gleichzeitig bin ich dankbar für die gemeinsamen Momente und Erinnerungen, die wir zusammen geschaffen haben. Und natürlich erfüllt mich auch Vorfreude, auf meine Freund:innen und Familie in Österreich.

Doch was bleibt am Ende, wenn man die Zeit im Ausland Revue passieren lässt?

Was nehme ich mit? 

Eines ist klar: Ich würde jeder Person empfehlen, ein Auslandssemester zu machen. Wenn man für eine längere Zeit in einem anderen Land lebt, beginnt man gewisse Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Was mir in Kanada aufgefallen ist, ist die Freundlichkeit der Kanadier:innen, für die sie auch bekannt sind. Außerdem scheint die Arbeitsmoral eine andere zu sein und der Alltag weniger schnelllebig. Beispielsweise nehmen sich Verkäufer:innen, die bei der Supermarktkasse sitzen, oft Zeit, die Kund:innen zu fragen, wie ihr Tag war. Eine kurze Plauderei ist dabei nicht ungewöhnlich.

Wenn man über die Folgen des Kolonialismus nachdenkt, für die wir Europäer maßgeblich verantwortlich sind, fragt man sich auch, warum dieser Teil unserer Geschichte nicht aufgearbeitet wird. Immer wieder gibt es Kritik daran – vor allem am englischen Königreich. Es mag nun die Aufgabe des Staates Kanada sein, die indigenen Menschen zu unterstützen, doch die Benachteiligung und der Rassismus gegen die Natives ist immer noch massiv. Wenn Europa und vor allem Großbritannien dieses Thema stärker reflektieren würde, könnte dies vermutlich vieles bewirken.

Doch zurück zum Unileben: In meinem Fall hat das Leben auf dem Campus und im Student:innenwohnheim erheblich dazu beigetragen, Freundschaften zu schließen. Je nach Land, Universität und Persönlichkeit wird sich wahrscheinlich jede:r Student:in für einen anderen Lebensmittelpunkt während des Auslandsstudiums entscheiden. Persönlich würde ich jedoch empfehlen, einen Ort zum Wohnen zu wählen, an dem auch viele andere Studierende leben.

Gebäude mit Glasfassade, Schnee
Im Student:innenheim der Mount Royal University leben ungefähr 1.000 Studierende. Hier kann man schnell neue Leute kennenlernen.
Marco Koppensteiner

Was ich anders gemacht hätte

Wenn man zum ersten Mal so eine große Reise allein unternimmt, ist man im Nachhinein natürlich immer klüger. Auch wenn ich manches wieder genauso machen würde, gibt es Verbesserungsmöglichkeiten. Während im Vorhinein viel Zeit für die Planung des Studiums im Ausland draufgeht, vergisst man gerne, dass man dort nicht nur studiert, sondern auch lebt. In Kanada angekommen, drehte sich bei mir allerdings die Sichtweise. Man lebt erstmal und vergisst manchmal, dass man studiert. Es zahlt sich also aus, sich wirklich gut anzuschauen, wann Feiertage oder Ferien sind, um kleine Ausflüge in andere Städte im Gastland oder vielleicht sogar in Nachbarländer zu machen.

Anstatt nur grober Vorstellungen sind konkrete Pläne hilfreich. Reisebegleitung ist unter den Studienkolleg:innen leicht zu finden. Dann kann auch früh genug gebucht werden, bevor die Flüge oder Züge zu teuer und die Unterkünfte bereits ausgebucht sind. Außerdem würde ich in Zukunft bei weiteren Reisen immer in das Gepäckstück, das aufgegeben wird, einen Tracker einpacken. Sollte der Koffer – wie bei mir – tatsächlich verloren gehen, kann man damit zumindest ungefähr verfolgen, wo er sich befindet. Im Handgepäck sollten neben den Wertsachen und Papieren außerdem Kleidung für ein paar Tage und die wichtigsten Utensilien Platz finden.

Gibt es etwas, dass Sie über die Planung und den Verlauf eines Auslandssemesters interessiert? Lassen Sie es mich gerne im Forum wissen! (Nicola Höpfl, 8.1.2024)